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Nordkonferenz des Handwerks tagt mit 15 Kammervertretungen in Lüneburg.Keine Nachhaltigkeit ohne Handwerk

„Reparieren, Restaurieren, Sanieren und über Generationen erhalten sind handwerkliche Schwerpunktaufgaben und treffen den Kern jeglicher Nachhaltigkeitsinitiative“, betont Karl-Wilhelm Steinmann als Vorsitzender der Nordkonferenz des Handwerks, d.h. der 15 norddeutschen Handwerkskammern. „Das Handwerk steht für nachhaltiges Wirtschaften auch mit Blick auf die Qualifizierung über ihre breite Aus-, Fort- und Weiterbildung. Handwerk schafft Ausbildungsplätze, Beschäftigung und Einkommen vor Ort! Nachhaltigkeit wird im Handwerk als selbstverständlicher Teil der Arbeit, der Betriebskultur und des gesellschaftlichen Engagements gesehen und tagtäglich gelebt. Die zahlreichen Aktivitäten des Handwerks und seiner in Norddeutschland 1,2 Millionen Mitarbeiter*innen sind als wesentlicher Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung von Seiten der Politik und Gesellschaft zu verstehen und stärker sichtbar zu machen!“, fordert Steinmann.

„Das norddeutsche Handwerk steht hinter den Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030. Wir betonen aber auch, dass bei der Verfolgung der Nachhaltigkeitsziele die Grundsätze der Marktwirtschaft und die unternehmerischen Ziele nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Nachhaltiges Handeln und wirtschaftlicher Erfolg sind für uns keine Gegensätze. Beides gehört untrennbar zusammen“, sagt Detlef Bade, Präsident der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade im Rahmen der Begrüßung in seinem Kammerbezirk.

Der Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung, Dr. Marc-Oliver Pahl, sieht in einer klaren Nachhaltigkeitsorientierung eine große Chance für das Handwerk, um sich in zukunftsfähigen Geschäftsfeldern zu positionieren und qualifizierte Fachkräfte anzuwerben. „Andersherum brauchen wir ein gut aufgestelltes Handwerk, um die Nachhaltigkeitswende hinzubekommen. In wichtigen Sektoren wie dem Ausbau der Erneuerbaren Energien, der energetischen Sanierung von Gebäuden und im Reparaturbereich sind die Handwerker das Rückgrat einer wirtschaftlichen Modernisierung“, verdeutlicht Dr. Marc-Oliver Pahl.

Auch der Staatssekretär aus dem niedersächsischen Umweltministerium, Frank Doods, sieht die Notwendigkeit, Handwerk in die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesländer einzubinden: „Mit der Energiewende und der Dekarbonisierung unserer heimischen Produktion stehen wir vor nicht weniger als einem der größten wirtschaftlichen Umbrüche in kürzester Zeit – wir können sogar von der 5. wirtschaftlichen Revolution sprechen. Für einen Erfolg brauchen wir dringend Fachkräfte. Und zwar nicht nur in der Industrie, in der viele neue, hochqualifizierte Jobs entstehen werden, sondern auch und gerade im Handwerk. Wenn wir mehr Tempo machen beim Ausbau der Erneuerbaren oder der energetischen Gebäudesanierung, müssen all diese Windräder, Photovoltaik-Anlagen oder auch die Gebäudedämmung entsprechend installiert werden. Und da benötigen wir dringend qualifizierten Nachwuchs im Handwerk, das so zu einem der größten Klimaschützer Deutschlands werden kann.“

Im Rahmen einer Podiumsrunde kommen Handwerksbetriebe auch selbst zu Wort und verdeutlichen, was Nachhaltigkeit in der betrieblichen Praxis bedeutet. Die Bandbreite der Gewerke zeigt, dass ihre Beiträge ganz unterschiedlich aussehen können über die E-Cap Mobility GmbH mit der Geschäftsführerin Leonie Behrens aus Winsen (Luhe), die Tischlerei Biesel GmbH mit dem Geschäftsführer Michael Biesel aus der Wedemark oder der  Obornik Werbetechnik KG mit Geschäftsführer Leif Obornik aus Hildesheim sowie der  Goldschmiedin Beate Fritz aus Gifhorn. 



Die Nordkonferenz der Handwerkskammern fordert:

Handwerk immer mit an den Tisch
Handwerksbetriebe sind in alle Technologieoffensiven und Kreislaufwirtschaftsprojekte einzubinden - von Wasserstoff über Brennstoffzelle bis hin zur Digitalisierung - und Innovationen sowie Prozessoptimierungen im Handwerk zu unterstützen. Um die Interessen der gesamten Wirtschaft zu berücksichtigen und alle Potenziale auszuschöpfen, muss das Handwerk auf EU- , Bundes- und auf Landesebene auch bei der Erarbeitung von Nachhaltigkeitsstrategien stets eingebunden werden. 

Regionalität und nachhaltigen Konsum vor Ort stärken
Lebenswerte Räume brauchen vielfältige Wirtschaftsstrukturen, zu denen das Handwerk als stark regional verankerter Wirtschaftsbereich einen wesentlichen Beitrag leistet. Lokal verwurzelte Handwerksbetriebe vermeiden unnötige Wege, bewahren nachhaltige Kulturtechniken und tragen innovative Techniken zur Ressourcenschonung in die Regionen. Um ein Bewusstsein für regionale Produkte und ein langfristiges Umdenken bei Konsumentscheidungen zu erreichen, müssen Informations- und Kommunikationskampagnen aufgelegt und regionale Wertschöpfungsketten gestärkt werden.

Berufliche Bildung ortsnah stärken
Damit das Handwerk seine vielseitige Fachkompetenz langfristig zur nachhaltigen Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft einbringen kann, müssen den Betrieben dauerhaft und verlässlich gut ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung stehen. Dabei schafft ein ortsnahes berufliches Bildungsangebot Zukunftsperspektiven für junge Menschen und verhindert die Abwanderung aus den vielfältigen Regionen Norddeutschlands.

Fairer Datenzugang
Das Handwerk ist dezentral in ganz Norddeutschland verteilt und sichert somit Ausbildungs- und Arbeitsplätze von der Ems bis an die Oder. Damit die Wertschöpfung der Betriebe auch in Zukunft in den Regionen erhalten bleiben kann, müssen künstliche Barrieren durch Datenmonopole verhindert und Handwerksbetrieben das Anbieten ihrer Produkte und Dienstleistungen weiterhin über einen barrierefreien Datenzugang ermöglicht werden. Ansonsten besteht die Gefahr einer Zentralisierung von Wertschöpfung und damit von Einkommen.

Energiewende bezahlbar vorantreiben
Durch die Sektorkopplung und den Umbau auf Erneuerbare Energien kann es Norddeutschland gelingen, die unter dem Nachhaltigkeitsziel 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“ formulierten CO2-Einsparungen zu erreichen. Der Norden ist durch den hohen Küstenanteil für den verstärkten Ausbau der Windkraft- und Wasserstoffenergie prädestiniert. Diese Potentiale gilt es zu nutzen ohne Handwerksbetriebe überproportional mit zusätzlichen Kosten zu belasten.



Hintergrund
Die Nordkonferenz repräsentiert den Verbund von 15 Handwerkskammern der Bundesländer Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt (Handwerkskammer Magdeburg) sowie Schleswig-Holstein. Sie vertritt ca. 210.000 Betriebe und knapp 1,2 Mio. Beschäftigte, die einen Umsatz von fast 115 Mrd. Euro erwirtschaften. Die Geschäftsstelle der Nordkonferenz ist bei der Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen angesiedelt.