
Statement von HWK-Präsident Delfino Roman zur Ausbildungsoffensive der Landesregierung"Richtige Ansätze - aber da geht noch mehr"
Der Aktionsplan „Duale Ausbildung“ des Niedersächsischen Kultusministeriums ist ein wichtiger Schritt für ein ganzheitliches Denken von Ausbildung. Denn zumindest eine der im Plan verankerten vier Förderrichtlinien kommt wirklich allen Ausbildungsbetrieben im Handwerk zugute. Es ist die Entlastung der Ausbildungsbetriebe von den Kosten der Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung (ÜLU). Das Land Niedersachsen wird seinen Finanzierungsanteil verdoppeln. Erst im Dezember 2019 hatte die Vollversammlung der Handwerkskammer den Fördervorschuss von rund 2 Mio. EUR zur Unterstützung der Ausbildung im Handwerk beschlossen. Sie hat das getan, weil die Politik ihrer Pflicht zur Unterstützung der ausbildenden Betriebe nicht mehr ausreichend nachgekommen ist. Diese zahlten mit bis zu 69 % weitaus mehr als das ursprünglich vereinbarte Drittel der ÜLU-Kosten. Für die Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen bedeutet das für das Jahr 2020: alle Betriebe beteiligen sich an den ÜLU-Kosten, die die Ausbildungsbetriebe sonst allein schultern müssen. Jetzt will die Politik ihrer Pflicht nachkommen. Dass sie das tut, ist ein handwerkspolitischer Erfolg, den sich die Vollversammlung als Sprachrohr der Betriebe zuschreiben kann.
Und die anderen Richtlinien aus dem Aktionsplan? Ob die einmalige Zahlung von 1.000 Euro einen echten Anreiz für Ausbildungsbetriebe darstellt, um die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen, darf man selbstverständlich in Frage stellen. Und was die einmalige Zahlung von 500 Euro für Auszubildende betrifft, die mehr als 45 Kilometer von ihrem Heimatort eine Ausbildung beginnen bzw. eine Stunde Fahrtweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen? Damit lassen sich gewiss auch keine großen Sprünge machen. Wir reden ja nicht von einer jährlichen Zahlung, sondern einer einmaligen für alle drei- oder dreieinhalb Lehrjahre. Es sind die richtigen Ansätze hin zu einer monetären Gleichstellung akademischer und dualer Karrierewege. Aber da geht noch mehr.
Das Jahr 2020 steht handwerkspolitisch im Zeichen der Ausbildung und es steht – wenn es darum geht von der Politik gehört zu werden – unter einem guten Stern. Der Landesausschuss für berufliche Bildung (LABB) als Beratungsgremium der Landesregierung, in dem die Wirtschafts- und Sozialpartner, darunter auch der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Handwerkskammern in Niedersachsen vertreten sind, hat jetzt eine einvernehmliche Empfehlung an das Land zur Einführung eines Azubi-Tickets formuliert. Die Vollversammlung der Handwerkskammer fordert dies seit rund zwei Jahren. 365 € im Jahr, sprich 1 € pro Tag für Auszubildende in der Dualen Ausbildung, überall in Niedersachsen – ohne Einschränkungen. Das fordern auch alle Jugendorganisationen der Parteien. Allerdings ist in den Regionen des ländlichen Raums, in den kein ÖPNV hinreichend gewährleistet ist, eine ausreichende Kompensation für die Entstehung von Fahrtkosten zu den Ausbildungsorten aus Landesmitteln zu berücksichtigen. Dies ist etwa bei Einsatz eines Pkw oder anderer Verkehrsmittel mitzudenken. Für uns als Handwerk steht fest: Wer Mobilität von Auszubildenden fördert, steigert die Attraktivität der Dualen Ausbildung. Ich sehe in der Durchsetzung des Projekts „Azubi-Ticket“ einen Auftrag für die Vollversammlung, für die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter, entschlossen, solidarisch und selbstbewusst mit einer Stimme zu sprechen und an die Politik heranzutreten. Denn da geht noch mehr.
Zusatz von Juli 2021: Änderung der Richtlinie zum CORONA-SONDERPROGRAMM Entlastung Ausbildungsbetriebe zum 01.06.2021